Hl. Papst Johannes Paul II. – Schutzpatron Europas

Kardinal Stanisław Dziwisz appellierte am 20. Oktober, während der feierlichen Eröffnung des Kongresses „Europa Christi“ in Tschenstochau, Johannes Paul II. zum Schutzpatron Europas auszurufen.

Kardinal Stanislaw Dziwisz, Foto: ©Mazur/episkopat.pl

Übersetzung: Dr. Anna Sobala

Original Fassung (Polnisch):  Link

Wir präsentieren die Übersetzung des vollständigen Textes der Rede:

Johannes Paul II. gilt als himmlischer Schutzherr verschiedener menschlicher Vorhaben und Stände. Er ist ein Papst der Menschenrechte, Hüter des Familienglücks, geistlicher Beistand der Jugend, Leiter und Meister der akademischen Umgebung, Ideengeber und übernatürlicher Animateur der Neuen Evangelisierung, die besonders im laizistischen Europa so sehr gebraucht wird.

Auf den Pfaden der Gegenwart lagen ihm die Angelegenheiten Europas, in dem er erzogen wurde und in dem er seine pastorale Tätigkeit bis zum Tod entfaltet hat, sehr am Herzen. Er erlebte ihre Dramen und spirituellen Dilemmata, sorgte sich aber auch dafür, dass alle Menschen guten Willens die Einheit auf dem Kontinent mitbauen, vom Atlantik bis zum Ural. Wir glauben, dass er heute „vom Haus des himmlischen Vaters aus“ der europäischen Gemeinschaft mit seiner inspirierten Weisheit weiter hilft, schwierige Entscheidungen zu treffen, zur täglichen Treue zu Gott und den Menschen ermutigt und bei Gott in allen unseren Bedürfnissen eintritt, sowie uns Seiner Barmherzigkeit anvertraut.

Wir wissen, dass während des Zweiten Vatikanischen Konzils, Papst Paul VI. den heiligen Benedikt von Nursia zum Patron Europas erklärt hat. Von der Tatsache, dass Europa Unterstützung von oben brauche war auch Johannes Paul II. überzeugt und rief daher deren fünf Schutzpatrone Europas aus: Die Heiligen Cyrill und Methodius, Hl. Katarina von Siena, Hl. Brigitta von Schweden und Hl. Schwester Therese Benedikta vom Kreuz (Edith Stein). Heute, da der Alte Kontinent eine große Wertekrise erlebt und vor neuen, bisher unbekannten Herausforderungen steht, wird es notwendig diesen Kreis zu erweitern. Der Heilige Vater trat immer für die unveränderlichen und universellen Werte ein, die das Bollwerk der europäischen Zivilisation darstellen. Er hatte seinen unbestreitbaren Beitrag zur Vereinigung des Alten Kontinents erkannt und in seiner Lehre diagnostizierte er treffend Bedrohungen, vor denen heute seine Bewohner stehen und zeigte zugleich, dass die einzige Hoffnungsquelle, Erlösung und wirksame Heilung die Barmherzigkeit Gottes ist, sowie die Rückkehr zum Vorbild des Evangeliums, das die Grundlage der europäischen Kultur gebildet hatte. Daher ist es ein legitimer Wunsch vieler Christen, Europa, sein geistiges Erbe und das Schicksal seiner Söhne und Töchter, Gott, dem Herren der Geschichte, der Fürsprache Johannes Paul II. anvertrauen zu wollen.

Johannes Paul II. – Seine Vision von Europa

Johannes Paul II. hatte seine Vision von Europa. Für ihn liegt die erste Grundlage der Einheit Europas in der Pädagogik der Vergebung. Zwei Weltkriege, die hauptsächlich auf diesem Kontinent stattfanden, verursachten großes Leid. Es gibt heutzutage noch sehr viele nicht geheilte Wunden in Europa und die Gegenwart lässt neues Unrecht entstehen. Die Pädagogik der Vergebung ist deshalb so wichtig, weil der Mensch, der vergibt und um Vergebung bittet, versteht, dass eine größere Wahrheit als er selber existiert. Und indem er Vergebung annimmt, kann er über sich selbst hinauswachsen. Es gibt kein Europa ohne Vergebung und Versöhnung, somit ohne Lösung der Probleme der Vergangenheit. Die These einiger europäischer Politiker, man solle die Probleme der Vergangenheit ruhen lassen und sich auf die Gegenwart und Zukunft konzentrieren ist falsch. Die Versöhnung ist einerseits an die Erfüllung bestimmter Bedingungen geknüpft: Schuldbekenntnis, Bedauern darüber, dass Böses getan wurde, sowie den Wunsch das Unrecht wiedergutzumachen. Andererseits schreibt Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Dives in Misericordia“, dass diejenigen, die verzeihen, gemäß dem Vorbild des barmherzigen Vaters dem verlorenen Sohn gegenüber Barmherzigkeit walten lassen sollen, damit derjenige, der Barmherzigkeit empfängt sich nicht gedemütigt fühlt, sondern wiedergefunden und geschätzt (vgl .. DiM, 6).

Nach Johannes Paul II. kann sich Europa nicht nur auf die Vergangenheit berufen, sondern muss auch über seine Gegenwart und Zukunft nachdenken. Nach Jahren der Konflikte und Kriege müssen die Europäer einen Weg zu einer neuen Einheit finden, die weit von jeder Form der Vereinheitlichung ist und gerade den Reichtum in seiner Vielfalt schätzt und integriert. Voraussetzung für die Gestaltung einer optimistischen Gegenwart und Zukunft des europäischen Kontinents ist neben der Pädagogik der Vergebung die Entdeckung und Bestätigung der eigenen Identität. Erinnerung ist die Kraft, die die Identität der menschlichen Existenz schafft, sowohl auf persönlicher als auch auf kollektiver Ebene. Deshalb ist im Leben von Gesellschaften und Nationen die richtige, also wahrhafte historische Politik, so wichtig.

Über Identität bestimmen nicht nur die Erinnerungen an die eigene Vergangenheit, sondern auch die dauerhaften und zeitlosen Bezugspunkte. Auf der nationalen Ebene sind das nachgewiesene religiöse und moralische Werte, aber auch symbolische Werte wie die Parole „Gott, Ehre, Heimat“, Zeichen und Symbole – die Nationalflagge, Nationalwappen oder Staats- und religiöse Zeremonien und Feste. Ein Beispiel dafür, wie historische Bezugspunkte in die Zukunft zu übertragen sind, gab Johannes Paul II. selbst, als er auf Westerplatte ausrief: „Jeder von euch, junge Freunde, findet in seinem Leben eine Westerplatte – einen Aufgabenbereich, den er übernehmen und erfüllen muss. Etwas Gutes, wofür man den Kampf nicht aufgeben darf. Eine Aufgabe, eine Verpflichtung, vor der man nicht abweichen, „desertieren“ darf. Nicht zuletzt eine Ordnung der Wahrheiten und Werte, die man „erhalten“ und „verteidigen“ muss, so wie diese Westerplatte, in sich selbst und in der eigenen Umgebung.“

Im persönlichen, sozialen und nationalen Leben hat Johannes Paul II. in besonderer Weise bestimmte Primate aufgewertet. Diese sind: das Primat der Person vor dem Gegenstand, den Primat des Geistes über der Materie, den Primat des „mehr- zu- sein“ vor „mehr- besitzen“, den Primat der Arbeit vor dem Kapital, dem Primat der Ethik vor der Technik, dem Primat der Barmherzigkeit vor der Gerechtigkeit und dem Primat des Dialogs vor dem Kampf. Der heilige Johannes Paul II. ordnet durch die oben genannten Primate die Werte- und Aufgabenwelt im Alltag, denn ohne bestimmte Prinzipien würde das menschliche Leben zum gefährlichen Chaos sowohl für den Menschen selbst, als auch für die Umwelt, in der er lebt führen.

Beitrag Johannes Pauls II. zur Entwicklung der europäischen Zivilisation

Wenn wir über den Beitrag von Johannes Pauls II. zur Entwicklung Europas sprechen, muss betont werden, dass er vor allem zum Sturz des Kommunismus auf unserem Kontinent beigetragen hat. Wir erinnern uns an seinen symbolträchtigen Gang durch das Brandenburger Tor mit Bundeskanzler Helmut Kohl. Helmut Kohl erzählte uns (…), als er am 23. Juni 1996 mit Johannes Paul II. durch das Brandenburger Tor ging, wie ihn der Papst auf einmal am Arm packte und sagte: „Herr Kanzler, dies ist ein sehr bedeutsamer Moment in meinem Leben. Ich stehe mit Ihnen, dem Kanzler von Deutschland am Brandenburger Tor und dieses Tor ist offen. Die Mauer ist gefallen. Berlin und Deutschland vereint. Und Polen ist frei.“ Niemand kann leugnen, dass Papst Johannes Paul II. einen entscheidenden Beitrag zu diesen epochalen Veränderungen in Deutschland und Europa geleistet hat.[i]

Von besonderer Bedeutung war, dass Johannes Pauls II. beständig wiederholt hat, dass sowohl der Nationalsozialismus als auch der Kommunismus einen grundlegenden anthropologischen Irrtum begangen haben: sie waren obsessive Ideologien, die die Würde der menschlichen Person verletzten. Für diese Ideologien stellt sich die individuelle Wahrnehmung der Wahrheit nur als eine Folge von sozio-zivilisatorischen Bedingtheiten dar. Auch der liberale Individualismus irrt darin, wenn er die menschliche Freiheit vom Gehorsam gegenüber der Wahrheit trennt, was folglich von der Verpflichtung, die Rechte anderer Menschen zu achten, entbindet (vgl. CE 17).

Es besteht kein Zweifel daran, dass Johannes Paul II., wie er mehrfach betonte, ein Europa der Heimatstaaten befürwortete und nicht Europa als einen Bundesstaat sah. Diese Position hat eine tiefere Begründung. In einem Europa der Heimatstaaten wird der Weg der qualitativen Entwicklung gewählt, in einem Europa als Bundesstaat – der Weg der prozeduralen Entwicklung. Der prozedurale Umgang mit der Realität führt nicht nur zur Politik des Schweigens, sondern auch zur politischen Korrektheit, Bürokratisierung des Lebens und einer Wertekrise. Johannes Paul II. hat davor gewarnt, dass sich eine Demokratie ohne Werte früher oder später zu einem offenen oder getarnten Totalitarismus wandeln kann. [ii]

Beachtenswert ist, wie Johannes Paul II. die Rolle Polens in einem vereinten Europa sieht. Der Prozess der europäischen Einigung sollte eher personalistisch als reistisch gesehen werden, was bedeutet, dass das vereinte Europa die Entwicklung der Menschen sichern sollte und nicht die Menschen der unbestimmten Entwicklung Europas ausliefere.[iii]

Der polnische Papst hatte eine klare und entschiedene Überzeugung bezüglich Europa – so Erzbischof Jean-Louis Tauran […]. Diese Werte hat der Papst wiederholt in seinen Lehren betont: die Würde der Person, die Heiligkeit des menschlichen Lebens, die zentrale Stellung der Familie auf der Grundlage der Ehe, die Bedeutung der Bildung, die Freiheit des Denkens Religionsfreiheit, Schutz der Rechte von Individuen und sozialen Gruppen, Arbeit als soziales und persönliches Gut wahrgenommen, politische Machtausübung als Dienstleistung verstanden.[iv] All diese Forderungen fallen in die Kategorien von Menschenrechten, zu denen jeder ein Recht hat, aber auch als Verpflichtung gegenüber anderen verstanden werden müssen. In der säkularen Welt sollen Christen, auch polnische Christen, vor allem Europa ein klares Zeugnis des Glaubens geben. Ein solches Zertifikat, wie Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben „Ecclesia in Europa“ schrieb, ist besonders notwendig in einer Situation der Antievangelisierung, die sich durch geplantes Aufzwingen einer Anthropologie ohne Gott und ohne Christus offenbart (vgl .. EiE, 9).

Johannes Paul II. sieht Polen in einem geeinten Europa in doppeltem Sinn. Zuerst als antemurale christianitatis – Bollwerk des Christentums. Die Rolle dieses Bollwerks wird im Kontext seines Buches „Das Zeichen des Widerspruchs“ erkennbar. Die Aufgabe der Christen ist nicht nur, dem Bösen entgegenzutreten, sondern auch mit dem Menschen für die Menschheit zu kämpfen.[v] Dieser Mensch sieht oft nicht, dass er sich selbst zum Feind geworden ist. Polens zweite Aufgabe in der Europäischen Union ist es, eine Brücke der Menschlichkeit zu werden – pons humanitatis, um authentische Werte und edle Gewohnheiten zu fördern, kulturelle Standards anzuheben, Nächstenliebe gemäß dem Evangelium umzusetzen. Im ersten Fall handelt es sich um ein Modell, in dem – man könnte sagen – das heroische und kämpferische Paradigma eingeschrieben ist. Die Überzeugung, dass das besondere Schicksal, Pflicht und der Ruhm der Polen immer die Treue und Verteidigung waren.[vi] Der zweite Fall ist ein Kulturmodell, dessen Vornehmheit im Kreieren spezifischer Assimilationsmechanismen besteht. Die Mechanismen, dank denen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Religionen Seite an Seite leben konnten. Mechanismen, dessen Vielfalt woanders zu Konflikten geführt hat, wurden hier zu einem äußerst fruchtbaren Ganzen gewandelt.[vii] Papst Johannes Paul II. erinnerte in Wloclawek am 7. Juni 1991 daran, dass die Mission des seligen Pater Jerzy Popiełuszko keine politische, sondern eine ethische Botschaft darstellte.[viii] Die Kirche in Polen hat auch bei der Verteidigung und Förderung ethischer Werte eine große Rolle zu erfüllen, in Europa, die sich mit vielen Krisen abmüht.

Gründe, die zur Erhebung des Hl. Johannes Pauls II. zum Schutzpatron Europas sprechen

Eine Reihe von Argumenten spricht dafür, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um den hl. Johannes Paul II. zum Schutzpatron von Europa auszurufen. Die Verdienste des hl. Johannes Pauls II. für die Bewahrung der moralischen Ordnung und Entwicklung unseres Kontinents ist unstrittig. Er hat immer betont, dass die europäische Gemeinschaft eine „Gemeinschaft des Geistes sein soll, in der der eine des anderen schwere Lasten trägt“, und dass die Menschenrechte sowohl in persönlicher als auch in nationaler Dimension geachtet werden. Europa steht derzeit vor großen Herausforderungen: die ideologische Krise, der demographische Zusammenbruch, die Untergrabung der natürlichen Funktion der Familie und das Migrationsproblem erfordern umsichtige und weitsichtige Entscheidungen. Europa braucht besonders an diesem Punkt seiner Geschichte übernatürliche Hilfe und das Vorbild der Heiligen, denn sich selber überlassen, wird sie womöglich die Herausforderungen vielleicht nicht bewältigen können. Es gibt wohl keinen aktuelleren Heiligen, der unsere Zeiten besser versteht, als Johannes Paul II.

Die postmoderne Situation in Europa bewirkte eine Relativierung der Werte, die moralische Permissivität und die emotionale Apathie vieler Menschen. Autoritäten werden zerstört, Menschen werden ihrer Bezugspunkte beraubt, die Welt hat sich der Hoffnung entledigt, daher leben die Menschen oft so, als ob Gott nicht existieren würde.ix Johannes Paul II. schrieb: Es ist sehr wichtig, die Schwelle der Hoffnung zu überschreiten, nicht davor stehenzubleiben, sondern sich führen zu lassen. x] Johannes Paul II. gab den Menschen immer wieder die Hoffnung zurück. In einer solchen Situation könnte das Patronat des Heiligen, der schon zu Lebzeiten mit allen möglichen menschlichen Angelegenheiten vertraut war, sich als besonders hilfreich und wünschenswert erweisen.

[i] Jan Paweł II. und die Deutschen – http://www.dw.com/pl/jan-pawe%C5%82-ii-i-niemcy-wystawa-w-bonn/a-15991497 – (dostęp: 03. 10. 2017, godz. 16. 10)

[ii] Vergl. Johannes Paul II., Rede gehalten im Parlament – Warschau 11. Juni 1999 – in Johannes Paul II , Pilgerreisen in die Heimat: 1979, 1983, 1987, 1991, 1995, 1997, 1999. Reden, Homilien, Krakau 1999, S.1085

[iii] Vgl. Europäische Union als historische Herausforderung für Polen – in: Polen und die Kirche im Prozess der europäischen Integration, [Hrsg. J. Piasecka, Warschau 1998, S. 213

[iv] J. L. Tauran, Hauptstadt der Apostel und Aufbau Europas – Modernisierung und Glaube. Die Rolle der Kirche im Prozess der europäischen Integration, [Ed. .R. Budnik, M. Góra] Gliwice 2002, S. 83 und 86

[v] K. Wojtyla, Zeichen des Widerstandes, Krakau 1995, S. 153

[vi] S. Sowiński, Polen im vereinten Europa – in: S. Sowiński, R. Zenderowski, Europa von der Kirche …, aaO, S. 171

[vii] Ebd., S. 171

[viii] Predigt während der Heiligen Messe im Flughafen des Aeroclubs – Wloclawek, 7. Juni 1991 – in: Ibid, S. 254

[ix] Vgl. Johannes Paul II., Predigt bei der Messe. Seligsprechung von Aniela Salawa, gefeiert auf dem Hauptmarkt (Krakau 13. August 1991) – in: Johannes Paul II., Wallfahrten in die Heimat …, Journal of Laws, ps.782

[x] Johannes Paul II. Überquert die Schwelle der Hoffnung, Lublin 1994, S. 163

 

Foto: EpiskopatNews, ©Mazur/episkopat.pl, Pałac Biskupi w Krakowie Franciszkańska 3, Creative Common  Licence

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